The Endless Coloured Ways – The Songs Of Nick Drake

The Endless Coloured Ways The Songs Of Nick Drake Album Cover

Zu Lebzeiten weitgehend unbeachtet und erfolglos, gilt Nick Drake längst als Folk-Genie. Was kann das neue Tribute-Album zu seinem 75. Geburtstag leisten?

von Werner Herpell

Fast 50 Jahre nach seinem wohl durch Suizid herbeigeführten Tod ist „der tragische Mythos des Nick Drake“ ungebrochen, wie das renommierte UK-Musikmagazin „Uncut“ in seiner Juli-Titelstory schreibt. Auch die Konkurrenz von „Mojo“ hat den im November 1974 mit nur 26 Jahren gestorbenen Singer-Songwriter auf dem Cover und nennt ihn ein „Genie“ des englischen Folk. Drake, der in seinem kurzen Künstlerleben mit nur drei Studioalben („Five Leaves Left“ von 1969, „Bryter Layter“ von 1970 und „Pink Moon“ von 1972) wenig Erfolg hatte, gilt inzwischen als einer der Größten seiner Zunft.

25 liebevolle Interpretationen

The Endless Coloured Ways The Songs Of Nick Drake Album Cover

Und er wird von unterschiedlichsten Musikern aus aller Welt vergöttert, wie sich in

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zahllosen inspirierten Versionen seiner Lieder (es sind insgesamt kaum mehr als 40) immer wieder zeigt. Kurz nach Nick Drakes 75. Geburtstag am 19. Juni widmet Chrysalis Records ihm nun eine herausragend zusammengestellte Kompilation: „The Endless Coloured Ways – The Songs Of Nick Drake“ vereint 25 Coverversionen seiner wunderbaren, so sensiblen wie melancholischen Folk-Jazz-Songs, liebevoll neu interpretiert „von 32 der talentiertesten Künstler des gesamten musikalischen Spektrums“, wie das Label völlig zu Recht schwärmt.

Die Tribute-Macher haben es sich zum Glück nicht allzu leicht gemacht. Auf durchaus denkbare Weltstars wie Peter Gabriel oder Elton John (der Ende der 60er Jahre selbst als junger Studiomusiker bei Probeaufnahmen von Nick Drake dabei war) und auf Jazz-Koryphäen wie Norah Jones oder Brad Mehldau (seit langem bekennende Drake-Verehrer) wurde verzichtet. Dafür sind diverse britische Pop-Größen (Guy Garvey von Elbow, Bombay Bicycle Club, Philip Selway von Radiohead, die Soul-Dame Emeli Sandé, das superbe Country-Folk-Quartett The Wandering Hearts) zu hören, außerdem hoch angesehene US-Musiker wie Christian Lee Hutson, Ben Harper, Joe Henry, Meshell Ndegeocello, Liz Phair oder John Grant.

Auch Feists „River Man“ rührt zu Tränen

Es gibt auf einem Album mit 25 Tracks ohne jeden Ausfall viele spannende Entdeckungen zu machen: Let’s Eat Grandma etwa mit ihrer ungewöhnlichen Fassung von „From The Morning“; die schottische Sängerin Karine Polwart und ihr Partner Kris Drever mit der zutiefst bewegenden Ballade „Northern Sky“; die bezaubernde Katherine Priddy mit dem erst nach Drakes Tod entdeckten Lied „I Think They’re Leaving Me Behind“, das hier so cineastisch opulent daherkommt wie ein James-Bond-Song; die tolle irische Post-Punk-Band Fontaines D.C. mit einem aufgerauten „Cello Song“. Weitere Höhepunkte liefern Leslie Feist (ihr „River Man“ rührt ebenso zu Tränen wie im Original), John Parish/Aldous Harding („Three Hours“), Nadia Reid („Poor Boy“) und Aurora („Pink Moon“).

Apropos „Pink Moon“: Ausgerechnet dieser Song aus der gleichnamigen, bereits sehr depressiven Schwanengesang-Platte brachte Nick Drake in den 90er Jahren gewissermaßen posthum den Durchbruch, als seine zarte Melodie die Bilder einer Autowerbung unterlegte. Seitdem ist viel passiert für seinen nachträglichen Ruhm, und es wurde/wird viel geschrieben, um den großen Singer-Songwriter und virtuosen Fingerpicking-Gitarristen angemessen zu würdigen als das, was er war: ein bedeutender Folk-Pionier, der an eigenen mentalen Problemen und am Desinteresse seiner Umgebung scheiterte.

Nick Drake lesen und hören

Die brandneue, ziegelsteinschwere Biografie „Nick Drake – The Life“ von Richard Morton Jack (mit einem Vorwort von der Schwester und Nachlassverwalterin Gabrielle Drake) leuchtet das sanfte Genie und seine Nachwirkungen bis heute in allen Aspekten aus (der Verfasser dieser Zeilen, selbst seit rund 20 Jahren glühender Fan, freut sich nach seiner kurzen Reise durchs ländliche Nick-Drake-England bereits auf die Lektüre). Dazu in Heavy Rotation die äußerst gelungene Cover-Kompilation „The Endless Coloured Ways“ und natürlich die drei in jeder Hinsicht perfekten Alben des tragischen Helden hören – und ein wenig trauern um dieses unvollendete Künstlerleben.

Das Tribute-Doppelalbum „The Endless Coloured Ways – The Songs Of Nick Drake“ erscheint am 07.07.2023 bei Chrysalis. Zuvor wurden in den vergangenen Wochen fünf geschmackvolle 7-Inch-Singles veröffentlicht, auf denen zehn Cover-Tracks dieser Kompilation zu hören sind. Die Serie wird laut Label durch eine Bonus-Disc vervollständigt, die eine lange verschollene Aufnahme von Nick Drake (mit Bob Dylans „Tomorrow Is A Long Time“) enthält. (Beitragsbild: Albumcover)

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